Gr 5: Vom Genfer See nach Chamonix

Wir haben vier bis fünf Wochen Zeit, allerdings fehlt uns jegliche Zeit für Vorbereitungen. Corrys Idee mit dem GR5 kam nicht von ungefähr...



Die letzte Etappe ihrer Alpenüberquerung 2018 führte entlang der GTA, also auf italienischer Seite im Piemont entlang des Alpenbogens. Warum also nicht mal das französische Pendant ausprobieren?! Wir wollen ganz sicher nicht bis zum Mittelmeer laufen. Viel lieber möchten wir, mal hier und dort vom Weg abzweigen, um noch tiefer in die Nationalparks vorzudringen, die am Weg liegen, als nur daran vorbei zulaufen und vor allem viel Zeit lassen und auch ein wenig treiben lassen, das ist unser Ziel!

Loslaufen am Genfer See

Die meisten Wanderer, die sich die Etappe über die Alpen vornehmen, starten in St. Gingolph, so auch wir. Wir sind spät dran: mit Bus, Bahn und Fähre gings zum und ein kleines Stück über den Genfer See. Wir wollen wenigstens noch ein Stück in den Abend hinein laufen. 





Nach 700 Hm in der Nachmittagshitze erreichen wir das kleine Bergdorf Novel. Von hier hat man nochmal einen schönen Blick zurück zum Genfer See. Gerade als wir an den letzten Häusern vorbeilaufen werden wir von einem Einheimischen begrüßt, der gerade den Zaun vor seinem Häuschen streicht. Sofort verwickelt er uns in ein Gespräch, zum Glück nicht auf französisch, da können wir beide nicht mehr als Bonjour und Merci. Er erzählt, dass er den Rhododendron vorm Haus von der Ostsee mitgebracht hat und zeigt uns noch mehr seiner botanischen Sammlung wie Edelweiss und Frauenschuh. Zum Schluss schenkt er uns einen Becher Honig, den wir anfangs wegen des Gewichts zweifelnd in der Hand wiegen dann aber dankbar annehmen. Der wird uns wohl die nächsten Tage das Frühstück versüßen. Weiter aufwärts werden wir bald fündig - eine zum Glück unbewohnte Kuhwiese, ist gerade recht fürs Nachtlager.

Vom Muskelkater geplagt

Wer hätte gedacht, dass die Bergab-Lauf-Muskeln tatsächlich noch im Winterschlaf sind, so setzt bereits am dritten Tag heftiger Muskelkater ein. Das hat man nun davon wenn man monatelang nur auf Ski bergab saust.
Am Tag zuvor haben wir mehrere Scharten erklommen und hatten einen langen Abstieg nach La Chapelle d'Abondance, ein ruhiger Zeltplatz fand sich oberhalb des Wasserfalls Cascades des Mattes im Wald.
Heute geht es wieder ordentlich hoch zum Col des Mattes und weiter entlang der Schweizer Grenze durch ein Skigebiet zum Lac Vert. 
Am Abend finden wir auf der Hochebene vor dem See einen schönen Platz fürs Zelt. Mark spielt mit dem Tarp, weil es nach Regen aussieht. Als alles fest verzurrt ist, kommt starker Wind auf und wir müssen es wieder abbauen, so hat man zumindest immer was zu tun.



Auch der nächste Tag ist zwiegespalten, anfangs führt ein schöner Pfad am See entlang, welcher aber leider ab dem Col de Portes du Lac Vert (2.157m) wieder in Schotterpisten endet und durch Skigebiete führt. Diese sind nun im Sommer von den Mountainbikern frequentiert.  
Zwischendrin belohnen wir uns mit einem Stück Kuchen an einer Alm. Ein steiler Abstieg führt in das Tal von Morzine, vorbei am Örtchen La Chardonnière, wo der nächste Anstieg zum Col de la Golèse wartet. Schnaufend und Schwitzend gehts stetig bergauf, so haben die Bremsen Zeit sich über uns her zu machen und wir kommen mehr oder weniger gut gelaunt am Tagesziel an. Nach einem Omelette im Refuge Golèse finden wir ein zunächst traumhaftes Plätzchen fürs Zelt. Scheinbar ist dies auch der Lieblingsplatz der Kühe, so stattet uns am Abend noch die Kuhherde einen Besuch ab. Wobei jede einzelne Kuh unser Treiben neugierig beäugt. Als eine sich sogar bis zum Zelt vorwagt und beginnt unsere Sachen abzuschlecken, wird es uns zu bunt. So machen wir ganz sicher keine Auge zu! 
Wozu ist eigentlich so ein Seilstrang gut, den wir die ganze Zeit sinnlos mit uns rumschleppen, hier kommt er nun zum Einsatz - als "Kuhzaun" und siehe da, wir haben unsere Ruhe, der Rest der Herde trottet gemächlich dran vorbei. 
Nachts weckt uns nochmal der Vollmond, beim Blick aus dem Zelt zeichnen sich vor dem Vollmond die Umrisse einer Pferdefamilie mit Fohlen ab - einfach traumhaft!



Abstecher auf die Tour de Dents Blanches

Da der Wetterbericht für heute weiterhin stabiles Wetter verspricht, laufen wir einen Umweg über den Téte de Bostan bis 2400m und biegen so auf die Rundtour um die Dents Blanches ein. Vom Kammweg hat man einen guten Überblick und mit steigender Höhe schweift unser Blick immer wieder am gegenüberliegenden Höhenrücken entlang um den Durchschlupf zu finden, durch den unser Weg führen soll. Geht es rechts durch die schneegefüllte Rinne oder doch weiter links? Leichtes Unwohlsein macht sich breit, es liegt noch viel Schnee in den Rinnen und oberhalb sollen seilversicherte Stellen im Fels warten. Vom Col de Bostan haben wir einen besseren Überblick und erspähen auch einzelne Wanderer auf dem Weg, wir befragen ein Wandererpaar über die Verhältnisse und es hört sich ganz gut an. 

Trotz aufziehendem Nebel wagen wir den steilen Aufstieg zum Pas au Taureau. Im steilen Schneefeld ziehen wir vorsichtshalber die Steigeisen an und nehmen unsere Pickel zur Hilfe, so kommen wir zügig voran und befinden uns bald an den ersten Felsen. Mark findet  dann wohl den schwierigsten Übergang zum Seil aber mit einem kräftigen Hauruck kann auch ich die Stelle mit schwerem Rucksack meistern. Bald stehen wir an der Scharte, über uns der Dentes Blanches, der sich in Nebel gehüllt hat und unter uns der blau leuchtende Bergsee Lac de la Vogealle.








An der gleichnamigen Hütte unterhalb des See gönnen wir uns wieder ein Omelette, was uns beinahe die Haushühner streitig machen wollen. Gut gestärkt folgt ein langer zäher Abstieg durch Geröll in den Talkessel des Cirque du Fer-a-Cheval. 

Müde, verschwitzt und vor Muskelkater jammernd, nehmen wir die Schönheit der Natur mit unzähligen Wasserfällen kaum noch wahr und beenden auch bald den Tag.




Das Schönste sind halbe Ruhetage

Der lange Marsch vom Tag zuvor steckt uns noch in den Knochen, mittags erreichen wir das hübsche Dorf Sixt-Fer-à-Cheval. Im Supermarkt werden wir schwach bei all den Leckereien und decken uns mit Pizza, Kartoffelpuffern und Teigtaschen ein - wer soll das alles essen?



Mit schwerem Rucksack voller Einkäufe schleppen wir uns bis zu den Wasserfällen Cascades du Rouget und machen dort ein ausgedehntes Picknick. Trotz der vielen Touristen ein hübscher Ort zum Verweilen. Am späten Nachmittag steigen wir nur noch ein kleines Stück auf bevor wir wieder knapp vor der nächsten Nationalparkgrenze unser Zelt aufschlagen.
Tags darauf folgt die bisher wohl schönste Etappe, hier jagt ein Fotomotiv das nächste!
Beim Erreichen des Almwiesen-Hochplateau zeigt sich bereits die kleine weiße Kuppe des Mont Blanc. Leicht absteigend führt der Pfad an der Felsenkette Rochers de Fiz entlang und vorbei an den Chalets d' Anterne. Der Lac d' Anterne liegt wie eine Perle in diesem Tal eingebettet, auch hier können wir einer Pause am Ufer nicht widerstehen. Wir beobachten auch einige Wanderer und Familien, die hier mit Eseln unterwegs sind. 







Am Refuge de Moëde wollen wir den Tag noch nicht beschließen und steigen weiter ins Tal zum Fluss Diosaz ab. Es geht über Blumenwiesen in einen wilden Talkessel und bei mir werden Erinnerungen an das Val Grande im Piemont wach. Mark muss sich besonders in Geduld üben, weil ich an nahezu jeder Blume Halt mache. In der Nachmittags-Glut erreichen wir verfallene Schäferhütten und finden etwas versteckt eine ebene Stelle zum Übernachten.

Immer dem Mont Blanc nach




Der Weg windet sich steil nach oben, am Col du Brévent angelangt, werden wir geradezu erschlagen vom Anblick des Monarchen - sagenhaft gewaltig baut sich das Massiv und unzählige weitere Felsnadeln vor uns auf.


Nach der typischen Fotopause gehts hinein ins Getümmel, hier ist es nun endgültig vorbei mit der Ruhe, die Seilbahn spuckt im Minutentakt Menschen am Gipfel des Brévent aus. 
Wir laufen weiter Richtung Refuge Belachat und lassen den Gipfel links liegen, von hier trennen uns nun nur noch 1000Hm und zahlreiche Serpentinen vom Tal.
Am Nachmittag erreichen wir müde aber zufrieden Le Houches, von wo aus uns der Zug nach Chamonix bringt. Zum Glück kommt man als Wanderer auch noch auf dem vollsten Campingplatz unter und so verbringen wir einen mehr oder eher weniger erholsamen Ruhetag in Chamonix.












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