Alpenüberquerung Wien - Nizza: Im Zick Zack um die Oberitalienischen Seen

Beim Talmarsch vom Tonale Pass nach Edolo habe ich genügend Zeit mir zu überlegen, welchen Weiterweg ich einschlagen möchte, entweder durch die Orobischen Alpen oder südlich durchs Bergell.



Wenigstens ein Stück durch die Schweiz und einen Blick auf das Bergell möchte ich aber schon erhaschen, sodass ich nördlich einbiege nach Tirano. 



Diese Stadt zu erreichen hat mich kurzzeitig ziemlich viel Nerven und Angstschweiß gekostet, da ich keinen vernünftigen Wanderweg finde und tatsächlich sämtliche Wege, die in meiner app verzeichnet sind, schlichtweg nicht (oder nicht mehr) existieren.
Davor haben ja schon einige Wanderer gewarnt, dass das Kartenmaterial Richtung oberitalienische Seen immer fehlerbehafteter wird, nun habe ich diese magische Grenze anscheinend überschritten.
Stundenlang kämpfe ich mich durch dichtes Dornengestrüpp, durchsetzt von meterhohen Natursteinmauern, um eine viel befahrene Bergstraße zu umgehen. Auf dieser habe ich es zuerst versucht aber zwischen Leitplanke und Autos war nahezu lebensgefährlich weiterzulaufen. Später geht's nur noch per Autostop ins Tal.
Völlig kaputt erreiche ich am Abend das nette Hostel Il Seicento im Nachbarort Sernio. Diese Unterkunft, welche ich nur durch Zufall gefunden habe, ist eine absolute Empfehlung. Noch dazu kam gerade ein Eiswagen um die Ecke gebogen als ich dort eintraf - der Eisverkäufer hat mir nur ungläubig zugesehen wie schnell ich das Rieseneis so schnell verschlungen habe!
Die nächsten Tage sind nicht gerade unanstrengend aber ich folge der Via Alpina, somit sind die Wege gut ausgeschildert und ausgetrampelt. Mehrmals wird die Grenze überschritten zwischen Schweiz und Italien. Schließlich erreiche ich nach vier Tagen den Malojapass.





Am Malojapass erlebe ich eine wahre Überraschung. Schon fast im Tal, versuche ich mich gedanklich auf eine teure Hotelübernachtung einzustellen, da ich auf Camping im Dauerregen mit Schneegriesel gerade keine Lust habe, da entdecke ich an einem Bauernhaus ein Schild "Zimmer frei". Fragen kann man ja mal, denke ich mir. So wie ich später erfahre ist das Salecina ein ganz besonderes Haus, welches mit seinem Konzept bis über die Landesgrenzen hinaus, bekannt ist. Welch ein Glück, dass ich hier so spontan und vor allem herzlich aufgenommen wurde. Zufällig habe ich beim nachmittäglichen Bummel durch Maloja ein älteres Paar wieder getroffen, nachdem wir uns nach der gemeinsamen Mittagspause bereits voneinander verabschiedet hatten. So können wir noch eine Tasse Tee und heiße Schokolade zusammen trinken, über den Maler Segantini philosophieren und zuschauen wie es sich so langsam einregnet. Auf dem Rückweg kehre ich noch in einer kleinen Bar direkt am Malojapass ein und lerne dort Marco und seinen Kumpel kennen, wir haben viel Spaß bei einer leckeren Piadine. Zum Abschied gibt's noch einen kleinen Glücksbringer mit auf den Weg.
Diese vielen netten Begegnungen und Gespräche bringen ein bisschen Farbe in den Wanderalltag und motivieren vor allem zum Weiterlaufen, daran muss ich mich beim nächsten Motivationsloch unbedingt erinnern!
Letztendlich entscheide ich mich hier für den leichteren Weiterweg über den Sentiero Panoramico nördlich des Bergells, da gerade ein erster Wintervorbote die Berge angepudert hat und ich bei den hohen Passübergängen am Sentiero Roma kein Risiko eingehen möchte. Zudem komme ich so auch etwas schneller vorwärts.
Vor atemberaubender Kulisse laufe ich Richtung Chiavenna und kann mich gar nicht satt sehen.





Hinter Chiavenna wird es wieder einsam und ich überlege mir eine Wegstrecke auf der ich es auch mit eingeschränktem Kartenmaterial bis ins Piemont schaffen könnte. Auf jeden Fall möchte ich das Val Grande "mitnehmen", wo ich ein gutes Jahr zuvor nur nur eine Tagestour unternehmen konnte.


Der Plan geht leider nicht so ganz auf. Ich komme nur schleppend voran, jeden Tag stehen viele Höhenmeter an, immer knapp 2000 Hm und dazu noch etliche Kilometer über unzählige Bergrücken.
Noch dazu entschließe ich mich, für ein bis zwei Wochen ab Mitte September nach Hause zufahren, da ich dort gebraucht werde.
Der Kompromiss ist, die Strecke nach Lugano auf Radwegen zurückzulegen und von dort durchs Centovalli ins Val Grande zu gelangen. Dies kann ich aber auch noch gut im Herbst laufen. Also beeile ich mich und erreiche nach einem anstrengenden Abstieg ins Misox Tal bei Soazza am Mittag noch den Bus, um nach Locarno und von dort mit der Bahn ins Centovalli zu fahren. So überspringe ich ca. 75 km. In Malesco steige ich aus und besorge noch Pasta und Brot für den Abend. Um vier Uhr nachmittags nehme ich den Aufstieg ins Val Grande unter die Füße. Die Eile hat sich gelohnt, am Abend gibts einen einmaligen Sonneruntergang mit Monte Rosa Kulisse an der Alpe Scaredi. 


Von hier kann ich auch schon mein morgiges Ziel, die Colma di Premosello, sehen.
Der nächste Tag bringt nochmal viel Sonnenschein, es geht an vergessenen Almen und herrlichen Badegumpen vorbei einmal quer durchs Val Grande. 



Als ich an der Colma ankomme ist es gerade erst Nachmittag und ich steige nach einer kurzen Rast noch ins Tal nach Premosello ab. Für die Nacht fahre nach Domodossola, hier kann ich noch ein paar Einkäufe tätigen und den Anschluss zur GTA planen.

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