Alpenüberquerung Wien - Nizza: Meer in Sicht und Zieleinlauf in Nizza


Vom Bergell geht's zurück auf Los ins Piemont, nach Susa. Es ist nun Mitte Oktober und auch hier ist der Herbst angekommen und die hohen Berge haben bereits eine weiße Haube. 



Es ist früher Vormittag und ich schlendere durch die Gassen, kaufe mir etwas zum Frühstück und ein bisschen was für den Weg. Wanderer sind keine mehr zu sehen, die Einheimischen beäugen mich ungläubig mit meinem großen Rucksack. So spät im Jahr ist anscheinend niemand mehr auf der GTA unterwegs.
Der Weg führt gemütlich durch Kastanienhaine und entlang der oberen Dörfer des Susa-Tals. 


Die Fernsicht ist einmalig, immer wieder bleibt mein Blick am weiß bestäubten Rocciamelone hängen, nun wäre die Besteigung nicht mehr so leicht möglich wie noch vor einem Monat.


Bald gehts vorbei an der Alpe Toglie, die Lärchen leuchten golggelb im Licht der bereits untergehenden Sonne. Als ich den Kessel erreiche, in welchem das Biwak Orsiera steht, ist dieses bereits im Schatten. Ich mache es mir noch einige Minuten in der Sonne bequem und esse genüsslich mein letztes Stück Geburtstag-Kastanienkuchen, welches ich mir aufgespart habe.
Beim Biwak angekommen, treffe ich auf einen Betreuer der Hütte, er macht mir sogleich Feuer im Ofen und verabschiedet sich freundlich. Im Schrank finde ich jede Menge Nudelpackungen, welche Wanderer da gelassen haben, das toppt na klar meinen Tüten-Kartoffelbrei, für den Nachtisch habe ich noch Schokopudding dabei – ein Schmaus!
Am nächsten Tag geht‘s unschwierig über den Colle Orsiera nach Usseaux. Die Dorfstraße ist eine einzige Baustelle, so irre ich eine ganze Weile durch den Ort bis ich das Posto Tappa gefunden habe. Zum Glück kann ich hier heute Nacht bleiben, trotz dessen, dass es schon geschlossen hat. Nach dem gewohnt leckeren Dreigangmenü falle ich müde ins Bett. Morgen muss ich früh los, um es noch bei Tageslicht nach Didiero zu schaffen.
Der Wirt ist sichtlich besorgt um mich, er ermahnt mich mehrmals zur Vorsicht und fragt auch am Morgen nochmal nach, ob ich heute wirklich starten möchte, da draußen dicke Nebelsuppe und Nieselregen warten. Der Wetterbericht sagt allerdings bestes Wetter vorher, so hoffe ich einfach darauf, dass es wie so oft im Herbst weiter oben schön sein wird. Der Aufstieg mit knapp 1400 Hm zum Colle dell Albergian zieht sich ewig in die Länge. Allerdings findet man am Wegesrand einige schöne Holzschnitzereien und so stehe ich bald am Pass, natürlich bei Sonnenschein mit grandioser Aussicht. Die Nebelsuppe weit unten im Tal hat sich immer noch nicht verzogen. Der Blick reicht vom Rocciamelone bis zum Monte Rosa. Da lacht das Herz!



Beim Abstieg komme ich noch an einem Wasserfall vorbei bevor ich wieder ins schattige Tal eintauche.
Der Wirt im Posto Tappa ist genauso überrascht mich als alleinigen Wanderer anzutreffen, trotz meiner Voranmeldung. Auch hier schmeckt das Abendessen nach einer heißen Dusche gleich noch besser. Nach knapp 30km Fussmarsch tut mir jetzt auch jeder Muskel einzeln weh. Das ist auch kein Wunder, der Rucksack wiegt gefühlt das Doppelte, habe ich doch vorsichtshalber Wintermatte und dickeren Schlafsack, sowie Steigeisen und Eispickel dabei.
Die nächsten zwei Etappen bringen mich bis kurz vor das Monte Viso Gebiet. Lange habe ich gegrübelt welchen Weg ich einschlagen soll und entscheide mich kurzfristig für die längere östliche Variante über das Rifugio Q. Sella.
Auf dem Weg dorthin finde ich hinter dem Passo dell Gullian meinen schönsten Zeltplatz in dieser Woche mit Ausblick auf den Monte Viso. Dieser galt lange Zeit fälschlicherweise als höchster Berg der Alpen, weil er weithin sichtbar ist. Nur leider lässt mich ausgerechnet jetzt mein Kocher im Stich, so gibt's die nächsten drei Abende kaltes Müsli – wie lecker.
In einer Monster-Etappe laufe ich am Monte Viso vorbei, von einem Hochtal ins nächste, mit vielen türkis und blau schimmernden Seen. Wie zum Abschied flankieren zuletzt unzählige Steinmännchen den Pfad. 






Nach wiederum knapp 30 km und einem steilen Abstieg durch einen alten knorrigen Lärchenwald schlage ich in der Dämmerung mein Zelt weit unten im Vallanta-Tal am Fluss auf. Hier habe ich zumindest Wasser und werde auch von Jägern nicht zufällig überrascht.
Die Schönwetterperiode wird wohl bald ein abruptes Ende finden, prophezeit der Wetterbericht. So nehme ich etwas unmotiviert nochmals einen langen Tag in Kauf. Das Gute ist, dass mich Mark heute Abend besuchen wird und die nächste Woche begleiten wird. So komme ich im letzten Tageslicht voll Vorfreude in Stroppo im Maira-Tal an.





In den nächsten vier Tagen trauen wir uns kaum einen Schritt aus unserem Campingbus, der Regen reißt kaum ab. Zumindest können wir so die vielen Leckereien aus den Konditoreien probieren, Cuneo besichtigen und in einer Regenpause über den Markt schlendern. Ein Nachmittag in der Therme von Berthemont les Bains erfrischt auch meine müden Beine. 


Die Nachrichten berichten von Erdrutschen und erhebliche Neuschneemengen in den Südalpen. Auch für uns steigt das Risiko in diesem einsamen Gebiet, noch dazu sind die Etappen lang, führen über Kämme und durch Schluchten, wir müssten wieder zelten und höchstwahrscheinlich uns durch den Neuschnee wühlen.
Stabiles Wetter ist auch weiterhin nicht in Sicht, so beschließen wir schweren Herzens mit dem Auto auf die französische Seite zu wechseln, und so die vier geplanten Gebirgsetappen zu umgehen. In Saint Martin im Vesubie Tal wollen wir wieder starten. Auf dem Weg dorthin passieren wir den Col de Turini auf 1500m, selbst hier liegen schon mehr als 15 cm Schnee., wie es dann wohl 1000 Hm höher aussieht? 


Somit werden wir auch diesen Übergang nicht riskieren, wer weiß wie rutschig die schmalen Pfade sind. So wird kurzerhand aus dem ursprünglichen Ziel Monaco, Nizza. Von Saint Martin können wir recht einfach über Talwege auf den GR5 gelangen und später auf diesem nach Nizza rauslaufen. Glücklicherweise geht der Plan auf! 
Nach zwei Tagen Rutschpartie über schmale laubbedeckte Pfade gelangen wir endlich auf den GR5, dieser führt uns aussichtsreich in den hübschen Ort Aspremont. Kurz vorher sehen wir zum ersten Mal das Meer, ich könnte Luftsprünge machen – endlich das Meer in Sicht!








Am nächsten Tag kommt die Altstadt von Nizza in Sicht und nach endlosem Abstieg stehen wir nachmittags am Meer!
Ich kann es immer noch nicht glauben, ich habe tatsächlich bis hierher geschafft.


Trotz der ausgelassenen Etappen bin ich stolz drauf! 

Wie viele Schweiß- und manchmal auch Angstperlen mich dieser Weg gekostet hat. Beim Gedanken an das Loslaufen in Wien, erscheint alles so unwirklich, soviel Zeit ist seitdem vergangen, ich habe viele Menschen kennengelernt, so viele tolle Begegnungen und Erlebnisse an die ich noch lange zurückdenken werde. Ich bin auch unendlich dankbar, dass ich den letzten Tag nicht allein verbringen muss.

So endet mein Weg über die Apen nach mehr als 100000 Hm und knapp 2000 km.


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