Durchs schwedische Fjäll von Hemavan nach Kolåsen


Drei Jahre sind bereits vergangen seit unserer langen Tour durch Norwegen und Schweden. Als wir im Oktober 2017 das Nordkapp erreichten, war klar, dass wir bald wieder zurückkehren wollen, um den versäumten Teil zwischen Kolåsen und Hemavan nachzuholen. 

Im Januar diesen Jahres kam uns dann die Idee im März wieder aufzubrechen. Zwar fällt die Entscheidung mittlerweile nicht mehr so leicht wie noch vor ein paar Jahren, die beste Zeit für Skitouren in den Alpen anderweitig zu verplanen, aber im "Norden" auf Tour zu sein ist doch immer wieder was anderes. 
Es sind diese langen Tage draußen, jeden Tag dem Wetter ausgesetzt zu sein, es so zu nehmen wie es kommt (...gelingt uns allerdings nicht immer). Dafür nimmt man zwar so einiges in Kauf wie Regentage, wo einfach alles feucht und klamm wird, jeden Tag Trockenfutter und fades Schneewasser zu Trinken, Hygiene auf ein Minimum reduziert, 1001 Sorten von Sch...Schnee. Aber dann gibt es diese magischen Momente im Fjell, wenn unerwartet eine Rentierherde auftaucht oder morgens die Schneehühner glucksen, die Sonne zwischen Schneefall und Sturm das Gesicht wärmt und die endlose weiße Weite und Einsamkeit.



Beinahe wäre die Tour bereits am ersten Tag gescheitert, als ein Rad am Pulkarollbrett dem Straßenbahngleis nachgibt. Wir sind gerade in München mit dem Zug  angekommen und auf dem Weg zum Hostel. Eigentlich sollte es mit einer Zwischenübernachtung in München ein gemütlicher Auftakt zu unserer Reise werden aber daraus wird wohl nichts. Spontan düsen wir noch mal mit dem Carsharing Auto nach Hause und holen doch die Kajakwagen, zwar sperrig und nicht unbedingt ein Leichtgewicht aber dafür unverwüstlich. 


Wartezeit in Kopenhagen
Am übernächsten Tag stehen wir endlich nach einigen Zugverspätungen und 36h später in Hemavan vorm ICA Supermarkt, wo uns soeben der Bus ausgespukt hat. Wir sind gerädert und gönnen uns einen weiteren Tag zum ausruhen, Einkäufe erledigen und fertig packen.




Zwei Tage später an einem Samstag ziehen wir dann los bei strahlend blauem Himmel und -8°C ... also perfekt, wenn da nicht die vielen Scooterfahrer wären. Im Dunst der Abgase und Motorengeräusche schleppen wir uns die Hügel Richtung Jofjället hinauf. Eigentlich können wir dankbar sein für jede Spur, abseits würden wir knietief im frischen Pulverschnee spuren müssen. Trotzdem können wir es nicht so recht genießen und machen schon bald oberhalb an den eingeschneiten Seen Lager.



Am nächsten Tag ist es bedeckt, aber die Stimmung ist gut, da wir fast den ganzen Tag alleine unterwegs sind. So kann es bleiben denken wir uns noch (wenn wir wüssten, dass es tatsächlich so bleibt ....)
Nach einer längeren Abfahrt überqueren wir den Nedre Joevattnet und mühen uns auf der anderen Seeseite wieder die steilen Hänge hoch, zum Teil zu Fuß stapfend, mit Grödel oder mit langen Steigfellen unter den Ski, zum Glück finden wir immer eine gute feste Spur. 

Die nächsten Tage führen uns zum See Ropen wo wir das Södra Storfjället hinter uns lassen. Das Wetter ist außergewöhnlich warm, wir laufen im T-Shirt und selbst mittags gehts fast ohne Daunenjacke.
Am Ropen See legen wir spontan einen Ruhetag ein, es fällt warmer feuchter Schnee und wir haben keine Lust auf stollende Felle. Die Schneehühner im Gebüsch nebenan stört das anscheinend und sie glucksen und gurren die meiste Zeit.


Schneehuhnspuren im Schnee
Lecker Blaubeesuppe mit Mandelplätzchen - ein Muss auf jeder Tour!
Nach einem langen Tag und 25km Strecke erreichen wir den Camping in Gränssjö, gerade die letzten vielen kleinen Steigungen saugen uns die Energie raus, sodass wir glücklich aber müde ankommen. Im Telefonat hatte sich schon gezeigt, dass keine Campinghütte frei ist. So suchen wir uns einen Platz fürs Zelt. Wir sitzen noch lange in der warmen Gemeinschaftküche, nach der langersehnten heißen Dusche sind wir wieder halbwegs erholt. Am nächsten Tag können wir glücklicherweise in eine Hütte umziehen. Wir nutzen den Tag zum Wäsche waschen und um unsere Tour umzuplanen. Eigentlich wollten wir von hier aus zur norwegischen Grenze laufen und dann weiter durchs Børgefjell Richtung Süden aber durch die Situation mit dem Corona Virus hat Norwegen die Einreiseregelungen verschärft und wir entscheiden uns vorerst in Schweden zu bleiben und im nächsten Ort zu entscheiden wie und ob es weitergeht. Glücklicherweise haben wir neben den norwegischen auch die schwedischen Papierkarten eingepackt für den Fall der Fälle, der nun anscheinend eintritt...



Die Campingplatzbesitzer sind sehr hilfsbereit und bringen uns Proviant aus dem nächsten Supermarkt mit, so sollten wir erst einmal eine Weile ohne Einkauf auskommen.
Der Weg folgt jeden Tag einem ähnlichen Rythmus, zuerst spuren wir durch tiefen Schnee im tiefer gelegenen Birkenwald, später gelangen wir durch lichte Wäldchen und einzelne Bäume hoch ins baumlose Fjell. Hier läuft es sich auf dem meist windverpressten Schnee wieder leichter. 





Unterwegs kommen wir auch an einsamen Gehöften vorbei wie in Vardofjäll. Ab hier folgen wir einer Hundeschlittenspur, die wir allerdings nach einiger Zeit im Birkenwäldchen wieder verlieren, zur Åtnikstuga, eine offene Hütte mit einfacher Einrichtung und einem Ofen. Nach einem anstrengenden Tag freuen wir uns besonders auf die warme Stube und ein Bett.



Åtnikstuga
Am Abend fällt wieder Schnee, da es in diesem Gebiet ein Scooterverbot gibt, wühlen wir uns am Tag darauf durch den frisch gefallenen Neuschnee. Als wir an Höhe gewinnen, geht es zügiger voran und wir können bei bestem Wetter die Aussicht auf die norwegische Seite genießen.






Gemütlich rutschen wir ins Remdalen runter und sehen ein einzelnes Rentier in der Ferne. Vorbei an Samihütten treffen wir wieder auf erste Scooterspuren und können nun Gas geben, um noch am frühen Abend die Tjåkkelestuga zu erreichen. Was für eine gemütliche Hütte, hier lässt es sich aushalten. Beim Blick aus dem Fenster am nächsten Tag, entscheiden wir uns einen Tag auszuruhen. Über Nacht schneit es kräftig weiter, der Wind bläst ums Haus, sodass aus einem gleich zwei Ruhetage werden. Zwischendurch bekommen wir noch Besuch von zwei Männern aus Kittelfjäll, die Feuerholz zur Hütte bringen. Nach dem Holzmachen braten wir uns Eierkuchen, ohja, das musste auch mal sein, nach Kartofflbrei und Couscous Diät.




Nach zwei weiteren Tagen erreichen wir den Stekenjokkvägen, in geistiger Umnachtung hat Corry ihr Handy am Lagerplatz liegen gelassen und wir müssen nochmal retour. Das wird am Nachmittag bestraft als stürmischer Wind und Schneefall einsetzen. Jetzt hätten wir schon im Zelt sein können....
So laufen wir weiter im Whiteout, dank der Wintermarkierung können wir uns gut orientieren und finden hinter dem letzten hohen Pass eine Senke, wo wir das Zelt halbwegs windgeschützt aufstellen können. 





Stürmische Nacht am Stekenjokkvegen
 Der Wind rüttelt die ganze Nacht am Zelt, wir schlafen unruhig. Auf dem Weg über den Stekenjokkvägen haben wir die ersten drei Skiläufer seit Hemavan gesehen. Sie sind auf dem Vita Bandet, einer Langtur von Grövelsjön zum Treriksröset, unterwegs. Nach der Abfahrt ins Tal treffen wir auf eine Straße, der wir nach Stora Blasjön folgen. Hier treffen wir eine Solowanderin, die ebenfalls das Vita Bandet läuft, wir unterhalten uns wirklich nett und die nächsten Wochen verfolgen wir ihre Tour über Instagram.


Im Sommer parken hier Autos - kaum vorstellbar bei 2m Schnee


Abfahren mit Pulka ist immer wieder ein Spaß...

Auf der hartgefrorenen überschneiten Fahrbahn kommen wir schnell voran und mit Musik auf den Ohren wirds auch mental erträglich. Pünktlich um 14 Uhr stehen wir vor dem Supermarkt in Stora Blasjön, wir haben noch eine Stunde um uns dem Kaufrausch hinzugeben. Gehe niemals mit knurrendem Magen einkaufen (heißt es zumindest)!
Die Hütte ist recht spartanisch aber mit herrlichem Blick über den Blasjön See. Auch hier verbringen wir wetterbedingt wieder mehr Ruhetage als eingeplant aber bei Regen und Tauwetter können wir uns einfach nicht motivieren loszugehen. Nach drei Tagen reicht es dann aber doch und wir ziehen weiter. Die nächste Etappe ist weniger anstrengend, wir laufen mal über Waldwege, dann Forstraßen und queren größere Seen solange sie zugefroren sind. 




Vereiste Kufen dank Tauwetter
Am 23. Tag checken wir auf dem Campingplatz in Gäddede, dem letzten größeren Ort vor Kolåsen, ein. Auch hier wieder die gleiche Routine, Sturm aussitzen, essen, Wäsche waschen, einkaufen, faulenzen. Wir warten auf ein Wetterfenster, um das Hotagsfjell zu überqueren. 
Mühsam stapfen wir von Murunäset in pappigem Schnee ins Fjäll hinauf. 




Der wohl schönste Platz unserer Tour ... Hauptsache die Wechte hält!

Leider geht der Plan nicht ganz auf. Bereits am zweiten Tag trübt es ein und wenig später finden wir uns im Schneetreiben und Whitout wieder. Nur diesmal gibt es keine Wintermarkierungsstangen, dank Karte und GPS finden wir die entscheidenen Durchschlüpfe zwischen den Bergmassiven. 



Whitout - trotz GPS eine Herausforderung


Über Mittag sitzen wir windgeschützt in einer Senke nahe dem markanten Berg Skierfe und die Sonne kommt raus. In solchen Momenten ist man wieder versöhnt. Tags darauf erwartet uns traumhaftes Wetter, die Orientierung ist nun wieder ein Kinderspiel. Kein Wunder, dass wir uns hier zwischen den vielen Hügeln ständig verstiegen haben.
Hinter der letzten Kuppe öffnet sich das Panorama über das Tal mit Blick auf die Berge des Skjäkkerfjällen und die Sylarna. 



Ein traumhafter Tag, trotz Neuschnee gleiten wir beschwingt und leichtfüssig ins Tal runter. In Valsjöbyn erreichen wir den letzten Supermarkt für die nächsten Tage, wir decken uns nochmal mit allerhand Leckereien ein, auch zu einem großen Stück gebeizter Lachsforelle sagen wir nicht nein, das wird ein Osterschmaus!
Am Nachmittag finden wir einen schönen geschützten Platz am zugefrorenen See mit einer Windschutzhütte. Es ist nahezu windstill, um die 7 Grad warm und wir sitzen im T- Shirt in der halb offenen Hütte beim Abendessen mit Lachsforelle und Bier - ein Genuss!


Der erste warme Frühlingstag
Die letzten Tage rinnen dahin, es geht mit wenig Steigung durch das Oldflån-Ansätten Naturreservat, auf den frischen Scotterspuren machen wir gut Strecke. Über Olden und mehrere große Seen kommen wir nach 37 Tagen in Kallsedet bei Kolåsen an.



Gerade hats noch geregnet ... da waren wir froh um die Windschutzhütte
Bei Jänsmässholmen
Mit Blick auf die Sylarna über den Juvuln See


Die Stimmung am Ende einer Tour ist immer ähnlich, froh darüber anzukommen, die Anstrengungen und den vielen Schnee hinter sich zu lassen. Aber auch traurig, das Zeltleben ist nun wieder vorbei.






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